Rede zum Neujahrsempfang der Stadt Grafing, 05.01.2020

Liebe Grafingerinnen und Grafinger,
ich möchte Sie ganz herzlich zum Neujahrsempfang 2020 begrüßen.
Zum sechsten Mal schon darf ich Sie als Bürgermeisterin unserer schönen Stadt zum Neujahrsempfang willkommen heißen.

  • Ganz herzlich begrüßen möchte ich unseren Ehrenbürger, Herrn Dr. Mischlewski, der zu unserer allergrößten Freude vor wenigen Wochen seinen 100 Geburtstag gefeiert hat. Welch‘ ein Schatz, sich mit ihm zu unterhalten. Wie authentisch die Erinnerungen, wenn er aus seinem reichen Leben erzählt.
  • Herzlich begrüßen möchte ich auch Herrn Pfarrer Dr. Mutonkole und Herrn Pfarrer Axel Kajnath.
  • Herzlich und mit Freude begrüße ich Doris Rauscher und Thomas Huber, unsere Vertreter im Bayerischen Landtag.
  • Vertreter der Feuerwehr, des BRK und alle Ehrenamtlichen
  • Stadträtinnen und Stadträte
  • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung
  • Meiner Assistentin Frau Häusser für die Organisation
    und das Stadthallenteam für Speis und Trank und Ton und Bestuhlung.
  • Begrüßen möchte ich auch Michi Seeholzer vom Merkur, Elisabeth Urban von der Süddeutschen und Frau Redinger vom Hallo. Vielen Dank für euer ehrliches Interesse an Grafing.
  • Ich bedanke mich bei der Musik, bei Joachim Jann am Saxophon und Davide Roberts am Flügel.

Jede und jeder freut mich, der heute in die Stadthalle gekommen ist, denn sie oder er zeigt damit ehrliches Interesse an Grafing, an seinen Grafinger Mitbürgern und auch an der Politik.

Mich freut auch, dass wir uns hier in der Stadthalle treffen. Wegen des laufenden Bürgerbegehrens muss ich mich hier ja neutral verhalten, aber Sie, liebe Grafinger, erwarten zurecht meine Meinung – was für ein juristischer Drahtseilakt … Also ich würde die Stadthalle als unser zentrales Kulturzentrum gerne sanieren und renovieren, ich würde auch gerne den kleinen Saal unterm Dach nutzbar machen. Wenn, ja wenn, die Sanierungsmaßnahmen finanziell irgendwie darstellbar sind. Aber meine Meinung ist auch, „dass der, der jetzt meint, die Lösung zu wissen, der weiß gar nichts“.
Ich bin mir sicher, wir finden eine Lösung, mit der alle zufrieden sind. Konsens nennt man das – und Konsens sehe ich als das wichtigste Element meiner Politik. Nein, ich meine keinen Kompromiss. Ein Kompromiss kann auch ein Ergebnis sein, mit dem niemand zufrieden ist.
Ich meine auch keine Mehrheitsentscheidung; mit der ist fast die Hälfte immer unzufrieden.
Aber ein guter Konsens ist einvernehmlich und erfüllt alle mit Stolz und Zufriedenheit.
Mit unzähligen Konsenslösungen habe ich es jetzt fast 6 Jahre lang geschafft, eine heterogene Gruppe – sprich Stadt und Stadtrat – zusammenzuhalten und zu leiten.
Stadtentwicklung mag manchmal etwas mühsam wirken – zumindest fordert Stadtentwicklung, fordern Verwaltungsprozesse meine persönliche Ungeduld heraus. Revolutionen erschrecken die Leute und erzeugen Widerstände. Dagegen ist Evolution mühsam, aber erfolgreich.
Aber: „kurz bevor etwas gelingt, ist der Lärm am größten“.

Angelika Obermayr

Gelingen wird uns die Energiewende. Der tosende Lärm ist zumindest jetzt schon unüberhörbar. Junge Menschen gehen auf die Straße – mittlerweile begleitet von ihrer Großelterngeneration, die sie mit schaudernder Erinnerung an die Demos ihrer Jugend begleiten. Laut sind aber auch die Menschen, die gar nix ändern wollen und sowieso an eine Verschwörung glauben.
Und mittlerweile tauchen sogar immer mehr auf, die sich nicht in der Lage sehen, selber Verantwortung zu übernehmen und deshalb lautstark nach Verboten rufen.
Aber, wie gesagt: „kurz bevor etwas gelingt, ist der Lärm am größten“.
Der Klimawandel hat uns in Europa lange kalt gelassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Über ein bissl mehr schöneres Wetter haben wir uns gefreut. Aber dieses Jahr ist es mir einfach zu heiß gewesen. Dauerhaft über 30 Grad – dafür ist meine mitteleuropäische Genetik einfach nicht ausgelegt.
Aber die Energiewende ist machbar. Die Technologien existieren und müssen nur eingesetzt werden. Energie ist nicht knapp: Solarkraft, Wind, Wasser, Biomasse. Energie und Know-how sind da und müssen nur genutzt werden. Bereits 40% unseres Energiebedarfs wird von Erneuerbaren gedeckt. Da geht noch mehr.
Nein – ich rede nicht von Verzicht, von Rückkehr in die Erdhöhle. Ich rede von echtem Gewinn an Lebensqualität. Ein Raumklima in einem gedämmten Haus ist ein Genuss, eine Photovoltaik-Anlage ist spannende Technik und spart Geld, E-Mobilität ist cool und leise, Radfahren spart Parkplatzsuchen, Zugfahren ist entspannend.
Ich rede von Optimismus! Von Handlungsoptimismus! Deutschland war immer ein Land der Innovation, der Hochtechnologie und der Wissenschaft – und das muss auch so bleiben.
Wir schaffen die Energiewende mit Mut und Optimismus.

Es geht uns gut in Grafing!
Fast alle Flächen im neuen Gewerbegebiet sind verkauft. Überwiegend an einheimische Betriebe, die mit ihren wachsenden Arbeitsplätzen hier in Grafing bleiben. Die machen z.T. in der Stadt Platz frei für Wohnbebauung. Gut, wenn innenstadtnah Wohnungen entstehen, das spart manche Autofahrt.
Verkauft sind auch die Wohnungen im Aiblinger Anger. Viele junge Grafinger Gewächse sind dort eingezogen. Und viele Familien aus Grafing und dem näheren Umland haben dort ihr Geld in Wohnraum investiert. Es scheint uns also doch ganz gut zu gehen.
Alle Ortsteile (fast!) sind kanalisiert und die Wasserburger Straße ist endlich neu. Und auch einen g‘scheiden Radlweg nach Grafing Bahnhof gibt es.
Was steht an in den nächsten Jahren?
Verkehr. Alleine, wenn ich an die 2,5% mehr Fahrzeuge denke, die jährlich zusätzlich im Landkreis zugelassen werden, erfüllt mich das mit Sorge. Wir haben mittlerweile einfach ein Platzproblem. Wo sollen denn die ganzen Autos fahren? Wo sollen sie denn parken – die Zweit- und Dritt-Autos?
Es gibt ja auch dankenswerterweise immer mehr Radler. Und noch wird auch in Grafing viel zu Fuß gegangen. Aber der verfügbare Platz wird zu eng. In einer Stadt, die für Pferdefuhrwerke und Fußgänger konzipiert wurde.
Ich fahre ja gerne und viel mit dem Radl zu meinem Büro um Rathaus und in Grafing herum. Ich merke aber da in letzter Zeit immer mehr einen Verteilungskampf auf den Straßen und zunehmende Aggressivität. Ich hoffe hier immer, dass nicht nur Vernunft, sondern auch Bequemlichkeit einkehrt. Allein diese Parkplatzsucherei nervt und es ist einfach bequemer, zu radeln oder zu Fuß zu gehen.
Und ich hoffe immer wieder, dass die STVO so geändert wird, dass es für eine Kommune ganz einfach wird, Tempo30 oder Fußgängerüberwege einzurichten. Da, wo eine Stadt es für richtig befindet.
Wir werden eine Gartenstraße Neu brauchen, einfach um den Marktplatz überhaupt entlasten zu können. Wir werden sie angehen, sobald das möglich ist, aber ein paar juristische Hürden gibt es leider noch!
4 zusätzliche Kitas werden fertiggestellt werden. Und ja, wir werden noch eine weitere Einrichtung in Angriff nehmen müssen. Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass so viele unter 3-Jährige in die Krippe gehen?
Am neuen Berufsschulgelände in Grafing Bahnhof wird eine Sporthalle entstehen. Auch hier wird sich die Stadt finanziell beteiligen, um Platz für Grafinger Sportler zu schaffen.

Ich sehe, seit ich Bürgermeisterin bin, dass es in der Gesellschaft und natürlich auch in Grafing viele Gruppierungen gibt, die viel für unser Gemeinschaftsgefühl arbeiten, aber doch oft wenig miteinander zu tun haben. Auf Neu-Deutsch sagt man auch „Blase“ dazu.
Als Bürgermeisterin habe ich die tolle Gelegenheit, in alle diese unterschiedlichsten Gruppierungen hineinzuschmecken. Mein Ziel war es immer und ist es, die verschiedenen Gruppierungen auf ihren Inseln zu vernetzen, zusammenzufügen, in Kontakt zu bringen.
Das ist auch das Verdienst vieler Menschen. Menschen, die sich fragen „Was kann ich für Andere tun?“ Menschen, die sich in die Gemeinschaft einbringen, das Grundrauschen einer funktionierenden Gemeinschaft bilden.

Ich möchte mich heute bei einigen Bürgerinnen und Bürgern bedanken für ihr jahrelanges ehrenamtliches Engagement.

Angela Reichmeyer und fair
Angela Reichmeyer ist immer schon überall ehrenamtlich aktiv. In der evangelischen Kirche, bei fair Grafing. Dort war sie am Aufbau beteiligt und ist mittlerweile Vorstand, zusammen mit Uwe Peters und … Die fair Genossenschaft besteht seit 2006, hat mittlerweile eine Premium-Position am Grafinger Markplatz und bereichert die Grafinger Geschäftsszene.

Helma Kandlbinder-Zilk,
war maßgeblich am Aufbau der Grafinger Bürgerinnen beteiligt. Die Grafinger Bürgerinnen, nach Aussage eines Mitglieds „ein Emanzenverein“, will die alte städtische Biedermeier-Tracht erhalten. „Wir wollen die alte Tracht präsentieren, damit sie nicht untergeht“, erzählte Frau Kandlbinder-Zilk einmal. „Wir haben alles gesammelt, was herging“, sagt sie. Inzwischen befinden sich im Fundus des Vereins nicht nur alte Kaschmirschals und Riegelhauben, schwarze Röcke, Biedermeier-Schirme, Taschen, sondern auch historische Mieder mit silbernem Geschnür.
Alle zwei Jahre gehen vertreten die Bürgerinnen Grafing am Wiesenumzug.

Maximiliane Prantner
Frau Prantner leitet seit über 10 Jahren die Arbeitsgemeinschaft Leonhardi. Sie kennt jedes teilnehmende Pferd und jeden Rosserer mit all ihren Eigenheiten persönlich. Die Leonhardifahrt, die jedes Jahr so selbstverständlich und reibungslos funktioniert, ist ein organisatorischer Kraftakt. Pferde, Wägen und Rosserer reisen an, treffen sich am Bauhof, müssen sich aufstellen, der Bauhof sichert die Straßen, der Ansager sagt die Promis an, die Kutscheneinteiler sorgen sich um die Belegung der Kutschen. Jeder weiß seine Aufgabe und ein sorgfältig geöltes Räderwerk greift ineinander.
Maxi Prantner kann heute leider wegen einer Familienfeier nicht kommen und vertreten durch Herrn Bernhard Polland, den zweiten Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft. Auch an Ihn vielen Dank für seinen jahrelangen Einsatz.

Herr und Frau Kristen,
Herr Kristen filmt gerne. Und er zeigt seine vielen Filme gerne – oft in der Bücherei der Stadt Grafing. Von seinen Reisen, von Ritualen und Bräuchen. Wenn Sie mal einen Film von ihm sehen wollen, vergessen Sie nicht zu reservieren, denn dein Fan-Kreis ist groß und die Kino-Abende meist ausverkauft.

Frau und Herr Scheid,
Wir können froh sein, bei uns am Land so ein Kino zu haben. Die Qualität ist hoch. Oft kann man Premieren oder Vorpremieren sehen. Ich spar mir die Fahrt nach München oder Rosenheim und habe Kino vom Feinsten. Der große Saal hat den Charme aus den 50ern und die Bequemlichkeit eines modernen Kinos. Unser außerdem gibt es Popcorn oder Gummibärchen. Auch Vereine haben die Möglichkeit, Filme zu zeigen, auch hier sind die zwei Kinosäle immer voll. Ich wäre gerne viel öfters bei Ihnen – bei einem spannenden Film und einer Packung saurer Gummibären.

In dem Sinne wünsche ich mir, dass immer weitere Welten zusammenwachsen zu einem lebenden Gemeinwesen, zu einer immer noch mehr liebenswerten Stadt.
Harmonie ist mir wichtig. Wir müssen nicht immer einer Meinung sein. Wir kriegen eine Stadt nicht besser gemeckert. Das Ziel muss immer im Blick bleiben:
Unsere Stadt, in der wir gerne leben und in der wir gerne zusammenleben.
Und nun lassen Sie uns anstoßen auf das Neue Jahr und gleich hier und heute die Möglichkeit nutzen, getrennte Welten, Neues und Altes, Fremdes und Vertrautes, zu verbinden.
Leid, seid’s freindle zuanand, red’s mitanand!
Danke, liebe Grafinger!

Rede zum Volkstrauertag 2014

Liebe Grafingerinnen und Grafinger!

Vor 100 Jahren, Anfang August, begann der Erste Weltkrieg, ein Krieg, den unsere Nachbarn auch den Großen Krieg nennen,
• ein Kriegsanfang, der der maßlosen Ignoranz und Überheblichkeit von Mächtigen geschuldet ist,
• ein Krieg, der in Europa nahezu jede Staatsgrenze verschob und nahezu jede Staatsform änderte (Österreich-Ungarn zerfiel, in Russland ging das Zarentum unter, in Deutschland das Kaiserreich),
• ein Krieg, der es letztendlich einem österreichischen Postkartenmaler erlaubte, mit einem Deutschland einen Zweiten Weltkrieg loszutreten,
• ein Kriegsanfang, der zum Ausgangspunkt für all den kriegerischen Unsinn, das Massentöten und die Verwerfungen der letzten hundert Jahre werden sollte,
• ein Krieg, der auch hier in Grafing aus nahezu jedem Haus und jedem Hof seine Soldaten forderte, um sie auf Schlachtfeldern sterben zu lassen.

Es wird immer wieder berichtet, mit welcher Begeisterung unsere Soldaten in den Krieg gezogen sind – überzeugt, nach kurzer Zeit wieder daheim zu sein, als ginge es in einen aufregenden Abenteuer-Urlaub.
Ich glaub‘ das nicht: Hier bei uns, in Grafing, Elkofen, Eisendorf, Dichau, Nettelkofen, Wiesham und Straußdorf, wie überall auf dem Land, war Erntezeit – und mitten in dieser Erntezeit sollten der Bauer und seine Söhne plötzlich eine Uniform anziehen und irgendwohin weit weg fahren, um dort ihnen unbekannte Menschen zu erschießen.
Die Begeisterung wird gering gewesen sein, die Sorge groß, die Angst überwältigend – auch die Existenzangst der daheimgebliebenen Frauen und Mütter.
In seiner Meinung zu diesem Krieg war jeder hier abhängig davon, was ihm Medien und die Gerüchteküche vormachten: Keiner der Handwerker und Bauern, die in den Krieg zogen, wusste doch wirklich, warum und wozu; alle waren sie abhängig davon, was die Regierenden ihnen dazu sagten – und diese sagten ihnen, dass es gerade angebracht wäre, Franzosen oder Russen zu erschießen, weil diese Deutschland bedrohten, und dass das ganz einfach und schnell vorüber sei.

Schon nach 4 Wochen war die kümmerliche Strategie der Generäle gescheitert und Grafinger Burschen saßen in französischen Schützengräben fest.
Um diese Zeit, vor genau hundert Jahren, 3 Monate nach Kriegsbeginn, kamen in die Grafinger Häuser die Meldungen von den ersten Toten;
um diese Zeit läutete oft die Sterbeglocke in Grafing.
130 Grafinger waren es, die für diesen Unsinn starben; das ist ein toter Grafinger alle 12 Tage, 4 Jahre lang, 1.500 Tage lang.

Wer nicht irgendwann erschossen, durch Gas vergiftet oder quälend krank an der Front verendete, saß weiter im Schützengraben, im Dreck, im Hunger, zwischen toten Freunden, in panischer Angst, ständiger panischer Angst, wochenlang, monatelang, vielleicht sogar jahrelang. Vielleicht überlebte er den Krieg sogar, und kam heim. Aber wie „heim“?

Wer den Schützengräben wieder entkommen war, trug unerträglich schwer an dem Erlebten und wurde zu Hause noch nicht mal als richtiger, vollwertiger Held empfangen, denn er hatte ja überlebt.
Er kam heim in eine Nation, die gerade einen Krieg verloren hatte, die gerade mit einer Revolution zu kämpfen hatte. Er kam heim, psychisch schwer gestört und traumatisiert – heute würde man das als „Posttraumatische Belastungsstörung“ bezeichnen. Er kam heim, und in seinem Kopf war immer noch Krieg und Panik jeden Tag.
Aufgefangen mit seiner psychischen Verletzung wurde er da nur bedingt. Am Ende wurde er als „Kriegszitterer“ wenig ernst genommen. Seine Selbsthilfegruppe wurde der Veteranen- und Kriegerverein, wo er sich austauschen konnte mit Kameraden, wo er vom Krieg reden konnte und verstanden wurde, wo er wenigstens versuchen konnte, zu verarbeiten, was er erlebt hatte.
Auch ich habe die Rolle der „Alten, die vom Krieg reden“ lange Zeit nicht verstanden, aber diese Veteranenvereine spielten eine selten verstanden wichtige Rolle für den traumatisierten Heimkehrer.

Einer meiner Vorgänger im Amt des Grafinger Bürgermeisters hatte damals schon die schöne Idee, nicht nur der Toten dieses Krieges zu gedenken, sondern auch der bemitleidenswerten Heimkehrer. Und er sammelte Geld für ein Heimkehrerdenkmal.
Dieses Heimkehrerdenkmal wurde 1929 auf Initiative des Veteranen- und Kriegervereins bei der Pfarrkirche errichtet und sollte seither an die aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehrten Soldaten erinnern. Die Widmungsinschrift lautete: „In Dankbarkeit gewidmet ihren vom Weltkrieg wiedergekehrten und in der Heimat verstorbenen Kriegern: Die Pfarrgemeinde Grafing“.
Heute gibt es das Grafinger Heimkehrerdenkmal nicht mehr. Es steht jetzt am Waldfriedhof und ist, einem Wunsch der Heimatvertriebenen folgend, „Unseren in der Heimat verbliebenen Toten“ gewidmet.

Mit den folgenden Gedanken möchte ich schließen:
Passen wir immer auf, dass wir uns nicht hinreißen lassen zu Begeisterung oder Ablehnung, ohne wenigstens zu versuchen, auch die andere Meinung zu hören.
Denken wir daran, was die Geschichtsbücher in hundert Jahren über die, in ihrer Dynamik noch nicht absehbaren, Konflikte des Jahres 2014 schreiben werden.

Rede zum Volkstrauertag 2015

Liebe Grafingerinnen, liebe Grafinger, liebe Vereine und Fahnenabordnungen

Der Krieg wird in Eure Häuser kommen.

Diese Drohung habe ich heute gelesen anlässlich des Mordens in Paris.

Eine Illusion, zu glauben, dass der Krieg in Syrien, Irak, Afghanistan geführt werden kann und auch dort bleibt. Krieg findet irgendwann dort statt, wo die Wirkung am effektivsten, am aufsehenerregendsten, am grauenhaftesten wirkt: 2001 in New York, 2015 in Paris.

Der Krieg wird in eure Häuser zurück kommen.

Genauso wie der Krieg ab 1939 gegen England, Frankreich, Polen usw. usf., Russland …
Irgendwann kam er zurück – der Krieg – in Form von Flächenbombardements deutscher Städte, in Form von Vertreibung, Vergewaltigung, Hunger und ziviler Toten.

Das Instrumentalisieren junger Männer funktioniert auch in der Neuzeit immer noch zuverlässig.
Vor tausenden von Jahren war es noch sinnvoll, dass junge Männer ihre Frauen und Kinder und Haus und Hof aggressiv verteidigt haben. Heute werden mit perfider Manipulation junge Männer missbraucht, mit absurden Begründungen Krieg zu führen: als SS oder SA oder als so genannte Märtyrer der IS.

Bitte halten wir einige Momente inne und gedenken der Opfer von Paris

Ist das nicht seltsam hier:

Fahnen und Fackeln, dazwischen ein paar Uniformen. Aus der Zeit gefallen?

NEIN.

Der Tag, den wir mit dieser Veranstaltung begehen, ist der „Volks-trauer-tag“ – und das ist weit mehr als die Erinnerung an gefallene Soldaten.

Den Volkstrauertag gibt es bereits seit den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg: 1926 wurde er zum ersten Mal begangen – die Deutschen gedachten der Gefallenen des Ersten Weltkriegs.
Die Nazis machten daraus etwas Neues und nannten den Tag nunmehr „Heldengedenktag“. Der Tag wurde martialisch und mit hoher Propagandawirkung begangen.
Bis 1945, dann war der Spuk vorbei.

Seit 1952 begehen wir (wieder) den Volkstrauertag, ähnlich wie es weltweit in vielen Ländern der Brauch ist. Besonders schön können das die Engländer, wo im November Jeder und Jede, aber auch wirklich Jeder und Jede, eine „Poppy“ im Knopfloch trägt, eine Mohnblume zur Erinnerung an die Schlachtfelder des ersten Weltkriegs.

Heute, in dieser Veranstaltung, begehen wir Grafinger den Volkstrauertag:

  • Wir gedenken der gefallenen Soldaten des 1. Weltkriegs, der vor 100 Jahren durch Europa tobte, und auch der überlebenden Soldaten, die verletzt, halb verhungert, traumatisiert wieder heimgekommen sind – und nie mehr die alten geworden sind.
  • Wir gedenken der gefallenen Soldaten des 2. Weltkrieges, dr vor 70 Jahren zu Ende war, und auch der überlebenden Soldaten, die verletzt, halb verhungert, traumatisiert wieder heimgekommen sind – entwöhnt dem normalen bürgerlichen Leben. Vielleicht sich auch schuldig fühlend, aller ihrer Illusionen und Ideale beraubt. Und nie mehr die alten geworden sind.
  • Jeder Soldat war auch Sohn, Ehemann, Freund oder Vater. Zu jedem dieser Soldaten gehörte eine Mutter, ein Vater, eine Ehefrau, eine Freundin oder ein Kind
  • Alles Opfer dieses Wahnsinns.
  • Opfer auch die Frauen, die daheimgeblieben das Leben allein stemmen mussten – sie mussten – aufs Äußerste gefordert – oft alleingelassen, sich um Kinder, alte Eltern, um den Hof, die Arbeit kümmern.
  • Opfer auch die Frauen, die gegen Ende des Krieges Opfer von Vergewaltigungen wurden. Verletzt, allein gelassen oder schwanger.
    Eine Vergewaltigung ist eine perfide Kriegstaktik, seit Jahrhunderttausenden ein Mittel, den Gegner endgültig zu zermürben, indem man ihm die Seele seiner Frauen und Mädchen raubt.
  • Opfer auch die Kinder, die beschützt und umspült von Liebe aufwachsen sollten. Ihr Leben lang haben diese Kriegskinder die Sicherheit vermisst, die nur unversehrte Eltern geben können.
  • Wir gedenken der Vertriebenen und Flüchtlinge. Der Begriff „Heimat“ bekommt eine neue Dimension, wenn wir uns vorstellen, dass noch vor 70 oder 100 Jahren das Dorf 10 km weiter schon „die Fremde“ war. Und jetzt sollte eine Heimat viele hundert Kilometer weiter westlich aufgebaut werden? Das war nicht so einfach, wie man heute tut – wer kann denn heute nachvollziehen, was es heißt, einen vollkommen anderen Dialekt zu sprechen oder evangelisch zu sein in einer rein katholischen Gegend?
  • Und heute: Eine Illusion zu glauben, dass vom Krieg Bedrohte in ihrer Heimat ausharren, und warten, bis alles vorbei ist. Momentan sind so viele Menschen wie seit 1945 auf der Flucht.
    Aber, wer vor Krieg und Terror zu uns flieht, wird hier wohl kaum Krieg und Terror verbreiten wollen, sondern sucht Zuflucht und Zukunft bei uns! Wir wollen sie ihnen weiterhin und ungebrochen geben!
  • Wir gedenken der zivilen Opfer dieser verheerenden Kriege, von uns Deutschen angezettelt.
  • Wir gedenken der Männer, Frauen und Kinder, die in Deutschland von Deutschen ermordet wurden, weil sie vermeintlich nicht dazu gepasst haben.
  • Wir gedenken aller Männer, Frauen und Kinder, die Opfer von Krieg, Diktatur und Gewalt wurden.
  • Und wir gedenken hier und heute der Opfer von Paris, wo Terroristen Tod, Angst und Entsetzen verbreiten.
    Was die Terroristen wollen, ist uns Angst zu machen – dass uns das Entsetzen befällt. Ja, uns befällt Entsetzen, aber dieses darf niemals über unsere Menschlichkeit siegen.

Es ist ein besonders schönes Symbol, dass heute erstmalig auch Abordnungen von Frauen hier dabei sind, Danke an die Grafinger Bürgerinnen, die stellvertretend für andere Frauen neben den Soldaten stehen. Und auch dass erstmalig auch unsere Grafinger Burschen hier als Fackelträger dabei sind.

Dieser Volkstrauertag geht gerade Euch was an – ihr seid heute die Vertreter der Opfer.

Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen
(George Santayana, spanischer Philosoph)

Die, die in den Kriegen gekämpft und sich gegenseitig getötet haben, die waren wie ihr, die waren so alt wie ihr, die wären sehr viel lieber mit Freunden, Braut oder Bräutigam, Geschwistern und Eltern in Freude aufgewachsen und hätten ihren Spaß am Leben gehabt.
Der Volkstrauertag bezieht sich nicht auf längst vergangene Zeiten, er bezieht sich auch auf Euch!

Dieser Volkstrauertag geht alle was an, die hier sind – er geht alle Grafinger was an.
Dieser Volkstrauertag soll auch Stachel in unserem Fleisch sein; ein wenig weh tun und uns gemahnen, aufzupassen.

Aufzupassen, unseren Mitmenschen, jeden Mitmenschen, nicht als Gegenmenschen wahrzunehmen. Jeder Mensch ist unser Mitmensch!

Weil die Toten schweigen, beginnt alles wieder von vorne“,
(Gabriel Marcel, französischer Philosoph)

Müssen denn die Toten schweigen? Die Opfer, derer wir hier gedenken, sollen uns auch mahnen, aufzupassen; aufzupassen, was heute um uns herum geschieht.
Denn wir müssen leider auch heute erleben, dass es einige schaffen, mit hasserfüllten Reden eine viel zu große Schar an Anhängern aufzupeitschen, die ihnen gedankenlos folgen, den Hass aufnehmen und weitertragen.

Lassen Sie uns diesen Volkstrauertag zum Anlass nehmen, dass die Toten nicht schweigen.
Lassen Sie uns die gelebte Erinnerung an die vielen Toten und Opfer zum Reden bringen – sie wollen uns mahnen, aufzupassen!

Es ist schön, in Frieden zu ruhen, aber es ist besser, in Frieden zu leben.

Wirklicher Friede ist niemals sicher – er muss immer wieder neu gewonnen werden

Angelika Obermayr, Erste Bürgermeisterin der Stadt Grafing b. München
14. November 2015

Rede zum Volkstrauertag 2016 – Sprache der Mitmenschlichkeit

Liebe Grafingerinnen, liebe Grafinger,

aus dem Feldpostbrief eines jungen Grafingers:

„Habe Euer wertes Packetchen erhalten, besten Dank. Es freut mich, da Ihr stehts an mich denkt, und mir immer etwas zukommen lasst. Hier ist man ja um jede Gabe froh. Die Zeit ist ja nun eine ernste, traurige. Die Zigarren sind wirklich fein und gut. Wir sind jetzt in der Umgebung von der Stadt Peron. Tag und Nacht in den Schützengräben. Die Franzosen sind 200 Meter vor uns eingegraben. Vorgegangen wird bei uns jetzt nicht, da im Norden zuerst vorgegangen werden muß. Wir haben es nun etwas schöner. Warm angezogen bin ich ja nun auch. Heuer werden wir uns kaum mehr sehen, noch ist keine Aussicht. Die Hauptsache ist, wenn wir wieder gesund nach Hause kommen. Mit Gruß aufs Wiedersehen Euer dankschuldiger
Paul Bartl“

Auf den Tag genau vor 102 Jahren schrieb der Grafinger Paul Bartl diesen Brief an eine befreundete Grafinger Familie.
Zwei Jahre später, am 2. September 1916, vor 100 Jahren, war er tot.

„Liebe Theres! Deine werthe Karte hab ich erhalten, besten dank dafür. Sende Dir heute eine Photographie, sie ist aber leider nicht gut ausgefallen. Bin gesund, sonst gibt’s nichts Neues. Gruß Josef Bartl“

Am 24. Mai 1916, also vor 100 und einem halben Jahr, sandte der Grafinger Josef Bartl diese Zeilen an seine Freundin Theres Zellner vom Bauern am Berg.
Zwei Jahre danach, am 9. Juni 1918, starb er im Lazarett.

Grafinger, die beiden, vermutlich verwandt.
So alt wie jetzt unserer Söhne, Brüder oder Freunde.
Wir wissen nicht, ob sie eine feindliche Granate zerrissen hat oder ob sie im Schützengraben verfault sind.

Aufgepeitscht von Politikern und Militärs, die dem Volk weiß gemacht haben, dass der „Franzos“ oder der „Russ“ Feinde waren, sind sie vielleicht sogar freudig erregt in den Krieg gezogen.

Sie waren welche von uns Grafingern und hatten wohl erst an der Front, im Schützengraben, erkannt, für welchen Unsinn sie da ihr Leben geben sollten.

Vor hundert Jahren, genau heute, jetzt, vor hundert Jahren, tobte die Schlacht von Verdun, und gleichzeitig, ein paar Kilometer weiter, die Schlacht an der Somme. Mehr gestorben wurde bis dahin nie. Hundertausende elendiglich Ermordete, keine Helden, sondern Opfer.

Der Alxing-Brucker Pfarrer Kaspar Wurfbaum hat Tagebuch geführt, während des Ersten Weltkrieges. Am 13. November 1916, also morgen vor 100 Jahren, notiert er: „Gottesdienst in Alxing; nachmittags in Grafing Konferenz. Von den Schlachtfeldern keine wesentliche Änderung.“

Bis zu diesem Zeitpunkt sind bei diesem Irrsinn schon 30 Grafinger getötet worden.

Gegen Ende des Jahres 1916 wurden erste Friedensbemühungen aufgenommen, die aber scheiterten.

Weitere 100 Grafinger sollten noch getötet werden.

Vorgestern, vor 75 Jahren, stirbt der Landarbeiter Georg Maier aus Eisendorf in einem Lazarett.
In Oberelkofen wird ihm zu Ehren eine „Heldengedenkfeier“ abgehalten.
Das politische Marketing hatte ihn zum Helden gestempelt.
Ob der sich als Held fühlte, mit seinen 20 Jahren?

Im November vor 75 Jahren ist es auch, dass die Grafingerin Martha Pilliet auf der Fahrt in den Massenmord aus Verzweiflung ihrem Leben ein Ende setzt.
Sie musste sterben, weil sie jüdischen Glaubens war, und weil diesem vermeintlichen Anders-Sein eine Gefahr angedichtet wurde.

Vor 74 Jahren, in diesen kalten Novembertagen, am 19. November, begann mit einer russischen Offensive die Einkesselung der deutschen Truppen in Stalingrad.

Bisher waren bei diesem Irrsinn schon wieder 15 Grafinger getötet worden;
weitere 145 sollten noch folgen.

Was war das doch für ein großer Irrsinn, das Ganze?
Ein großes, völlig sinnloses Töten und Sterben?

Wie war es dazu gekommen? Was führte zu diesem Schlachten?

  • Großtuerei! Wichtigtuerei! Worte!
  • Sprache!
  • Sprache von Politikern, die auf fruchtbaren Boden fiel, aufgenommen wurde, wucherte, bedacht oder unbedacht in den Mund genommen wurde, und vom Mund in die Köpfe wanderte.

Immer, wenn es zu den großen Gräueln der deutschen Geschichte gekommen ist, waren es erst der Kaiser und dann der Führer und Mitläufer, die uns erklärt und eingeredet haben, wer nur gerade der Böse sei, wer bekämpft und vernichtet werden müsse.

Woher wusste denn der Grafinger, der da drüben beim Grandauer am Stammtisch saß, am Vorabend, bevor er in den Krieg zog, gegen wen er sein Leben aufs Spiel setzen sollte.
Und vor allem – warum?

Alles nur Gerede? Nein.

Aus Worten wurden Taten!

Vor dem Beginn einer Auseinandersetzung steht immer die Sprache, die sprachliche Vereinfachung, die sprachliche Verrohung.

  • Schnell fallen Begriffe wie „Ratten“, „Gesindel“ oder „Pack“
  • schnell wird betont, wie aggressiv die Anderen sind, wie gesetzlos und andersgläubig sowieso,
  • schnell wird von „Flut“ gesprochen, von „Kampf“,
  • … und zu spät merken wir, was wir da eigentlich nachplappern, welchen Unsinn wir da eigentlich reden.

Und nein: Es sind nicht die Anderen – die da – die Trumps, Putins, Erdogans und Orbans, die sich zunehmend dieser Sprache bedienen, es sind wir, wir alle, die diese Sprache aufnehmen, weiterverbreiten, bagatellisieren. Die Sprache des Hasses ist unter uns.

Werte, die wir für Werte gehalten haben, sind plötzlich keine Werte mehr.

Wir erleben es, auch hier, dass Rückgrat und Anstand durch Populismus ersetzt werden.

Alles nur Gerede?

  • Früher gab es den Begriff „Unsagbar“ oder „Unsäglich“,
    doch vieles, was vor kurzer Zeit noch „unsäglich“ war, umgibt uns heute, – ist „sagbar“ geworden.
  • Früher gab es die Idee von „Höflichkeit, Respekt“ auch Gegnern und Fremden gegenüber;
  • Gestern noch gab es das Wort „Anstand“, in der Sprache, in unseren Äußerungen, in unserem Umgang miteinander, in unserem Umgang auch mit dem Unbekannten.
    Heute hört viel zu oft man „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!
    Ja, man darf, man soll sagen dürfen, dass es Probleme gibt – aber bitte sachlich, höflich, mit Respekt, mit Anstand.
  • Und manchmal muss man eben auch seinen Freunden sagen dürfen, Freunden, die unsägliches daherreden: „Okay, aber jetzt reicht’s

Wir wissen nicht, wohin uns diese Verrohung der Sprache führt, aber wir wissen, wohin sie immer wieder schon geführt hat, wohin sie führen kann.

Passen wir auf – auf unsere Sprache!

Wieder wird uns Angst gemacht, Angst vor der Zukunft, Angst vor Veränderung, Angst vor Anderen, vor Mitmenschen;

Angst davor, dass nichts mehr so bleibt, wie es ist.

Die Schuldigen werden auch gleich mit benannt – und die Retter auch.

Hatten wir das nicht schon mal?

Aber: Müssen wir wirklich Angst haben?

Sind wir, unser Rechtsstaat, unsere Kultur nicht stark genug, mit der Zukunft zurecht zu kommen? Wir sind stark!

Ich rufe Sie auf: Der Widerstand gegen die Brutalisierung des Alltags fängt beim Widerstand gegen die Brutalisierung der Sprache an.

Passen wir auf! Verwenden wir nicht die Sprache des Bösen, die Sprache der Ausgrenzung, die Sprache der Verrohung.

Bleiben wir bei der Sprache der Mitmenschlichkeit!

Rede zum Volkstrauertag 2017 – Kriegskinder

Grafing, 18. November 2017

Liebe Grafingerinnen und Grafinger,

Bei besonderen Ehrentagen, bei hohen runden Geburtstagen oder bei der Goldenen oder gar Diamantenen Hochzeit, besuche ich als Bürgermeisterin gerne die Jubilare und gratuliere.

Ich genieße diese Gespräche mit Menschen, die meine Eltern sein könnten. Die meisten Menschen sind glücklich, ein hohes Alter erreicht zu haben. Freuen sich an ihren Familien, an Freunden und Verwandten. Und auch wenn sie nicht mehr gesund sind, blicken die meisten doch dankbar zurück.

Neulich erzählt mir eine Jubilarin, dass ja alles so schön wäre, wenn diese Träume nicht wären.

Die Träume verfolgen sie – und sie träumt von ihrer Zeit als junges Mädchen im Krieg und nach dem Krieg.
Von der Vertreibung aus der Heimat zusammen mit ihrer Mutter.
Von der Sorge um Vater und Bruder.
Vom Ankommen im ihr vollkommen unbekannten Bayern.
Von der Wohnungseinweisung. Dem fremden Dialekt.
Von Hunger, Kälte, Sorge, Verlassenheit. Heimweh.

Es ginge ihr ja so gut, erzählte mir die 90-Jährige, wenn die Erinnerung sie nur nicht immer wieder einholen würden.

Wir wissen heute aus der Wissenschaft, dass die menschliche Erinnerung gnädig ist. Was schlimm ist, wird weg gepackt und vergessen. Das funktioniert lange. Aber nicht ewig und nicht mehr im hohen Alter.
Irgendwann kommen die Erinnerungen hoch.
Bevorzugt in der Nacht. Hindern am Schlafen, quälen.

Nach dem Krieg war ja auch keine Zeit zum Erinnern: die Menschen, die jetzt alt oder sehr alt sind, waren nach Kriegsende Kinder und Jugendliche.
Die Zeiten waren aufregend, eine Aufbruchsstimmung machte sich breit.

Das Land musste aufgebaut werden. Den meisten Menschen ging es wirtschaftlich immer besser. Neue Musik wurde gehört, es gab wieder Theater und Kino, Ehen wurden geschlossen, Häuser gebaut, und Kinder kamen auf die Welt.

Wo wäre Zeit und Muße geblieben, um sich zu erinnern?
Die Erinnerungen wären zu quälend gewesen, durchsetzt von Trauer oder gar Schuldgefühlen.

Machen wir uns doch bewusst, wie die Generation meiner Eltern, die Generation der in den 20er und 30er Jahren geborenen, erzogen wurde:
Sie wuchs im Umfeld des schrecklichen Unrechts des Nationalsozialismus heran.

Machen wir uns doch bewusst, was für einen Bruch die eigene Identität erleidet, wenn vieles, was man als Kind gelernt hat, plötzlich nichts mehr gilt.
Nichts mehr Wert ist. Das Weltbild und das Gefühl, was richtig ist, zusammenbricht.

Dann ist es doch schon aus reinem Selbstschutz besser, zu vergessen.

Bitte verstehen Sie mich richtig, mir geht es nicht um die alte Schuld-Diskussion, sondern darum, Verständnis zu wecken für die Traumatisierung dieser Generation der Kriegskinder.
Opfer des Krieges waren diese Kriegskinder.
Kinder, die eigentlich beschützt und von Liebe umhüllt aufwachsen sollten.

Ihr Leben lang haben diese Kriegskinder Sicherheit vermisst.
Kriegserfahrung, Flucht und Ungewissheit haben unauslöschlich Spuren in den kleinen Kinderseelen hinterlassen.
Geblieben sind Angst und Verunsicherung. Sprachlose Trauer.

Die Kinder dieser Kriegskinder wiederum blieben zwar vom Schrecken des Krieges verschont. Aber der Krieg hinterließ auch bei ihnen Wunden, die bei vielen ihr Leben lang nicht geheilt sind.

In vielen deutschen Familien spielten sich in den Fünfzigern bis hinein in die sechziger Jahre andere Kriege ab: heftige Generationenkonflikte.
Der Versuch, das mühsam aufgebaute Leben mit den Kriegserinnerungen in Einklang zu bringen, hatte seinen Preis.

Das Überleben und der Wiederaufbau erforderten die ganze Kraft.
Für eine Auseinandersetzung mit den vergangenen Erlebnissen und gleichzeitig mit der nachfolgenden Generation war keine Kraft mehr.

In vielen Familien waren die Kinder in den Nachkriegsjahren unsichtbar, weil die Eltern selber noch umgeben von Nebel lebten, und ihnen die traumatische Vergangenheit realer erschien als die Gegenwart.
Die Menschen wurden mit den Langzeitfolgen des Kriegstraumas nicht fertig.

Trauer ist ein langer, schmerzlicher Vorgang, – den jeder Betroffene auf andere Art und Weise erlebt, und versucht, damit zu Recht zu kommen.

Der zweite Weltkrieg liegt schon so lange zurück – seine Folgen sind aber bis in die zweite und dritte Generation noch zu spüren.

Schon deshalb sollten wir unseren Kindern mit Nachdruck den Frieden erklären. Damit sie anderen nie den Krieg erklären müssen.

Kinder trifft nicht die geringste Schuld, aber sie haben die größte Angst und werden am meisten geprägt, für ihr ganzes Leben.

Ich wünsche mir für alle Kinder dieser Welt, in einer Welt leben zu dürfen, in der Frieden natürlich ist.

Totengedenken

Wir denken heute
an die Opfer von Gewalt und Krieg,
vor allem an die Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken
der Soldaten, die in den Weltkriegen starben,
der Menschen, die durch Krieg oder in Gefangenschaft,
als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer,
die verfolgt und getötet wurden,
weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurden.

Wir gedenken derer,
die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern
um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage,
um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung,
um die Soldaten und andere Einsatzkräfte, die ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer,
die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.

Wir trauern mit allen,
die Leid tragen um die Toten und teilen ihren Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.

Volkstrauertag Grafing/Oberelkofen 2017 – Angelika Obermayr

Rede zum Volkstrauertag 2018 – Revolution

Liebe Grafingerinnen, liebe Grafinger,
Zum fünften Mal schon darf ich hier am Volkstrauertag als Bürgermeisterin zu Euch sprechen. Diese Ansprache hier ist mir immer besonders wichtig.

Vor vier Jahren, im November 2014, begann ich meine Ansprache mit diesen Worten:

1914, Anfang August, begann der Erste Weltkrieg,

ein Krieg, den unsere Nachbarn auch den Großen Krieg nennen,
ein Kriegsanfang, den das Volk nicht wollte und der der maßlosen Überheblichkeit der Mächtigen geschuldet ist,
ein Krieg, der in Europa nahezu jede Staatsgrenze verschob und nahezu jede Staatsform änderte,

ein Krieg, der es letztendlich auch einem ungebildeten österreichischen Postkartenmaler erlaubte, mit einem willigen Deutschland einen Zweiten Weltkrieg vom Zaun zu brechen,
ein Kriegsanfang, der zum Ausgangspunkt für all den kriegerischen Unsinn, das Massentöten und die Verwerfungen der letzten hundert Jahre werden sollte,

ein Krieg, der auch hier in Grafing aus nahezu jedem Haus und jedem Hof seine Menschen forderte, um sie auf Schlachtfeldern sterben zu lassen.

Hier bei uns, in Dichau, Elkofen, Nettelkofen, Wiesham und Straußdorf, wie überall auf dem Land, war Erntezeit – und mitten in dieser Erntezeit sollten der Bauer und seine Söhne plötzlich eine Uniform anziehen und irgendwo weit weg fahren, um dort ihnen unbekannte Menschen zu erschießen. Die Begeisterung wird gering gewesen sein, die Sorge groß, die Angst überwältigend.

Heute vor 100 Jahren war dieser unsinnige Krieg wieder zu Ende und wir standen vor den Scherben dieser selbstherrlich-überheblichen Politik – wenn wir überhaupt noch standen.
Alles war kaputt, unsägliches Leid auf allen Seiten.

Nur der deutsche Kaiser, der bayerische König und ihre Generäle und Admirale wollten das nicht sehen und trieben den längst verlorenen Krieg immer weiter in weitere Verluste – bis sich die ausgebeuteten und ausgemergelten Soldaten den letzten Befehlen, die zum ihrem sicheren Tod geführt hätten, einfach verweigerten.

Die Soldaten wollten nicht mehr kämpfen, sie wollten in völlig auswegloser Situation nicht auch noch einen vollkommen unsinnigen Tod sterben. Einen Tod, der dann die sonderbare Bezeichnung „ehrenvoll“ getragen hätte, aber doch nur ein grausamer, leidvoller, unsinniger Tod gewesen wäre.

Sie waren Helden!

Sie waren Helden, gerade weil sie den letzten Befehl verweigert hatten.

Ja, es gibt ein Recht auf Widerstand!

Diese Helden haben durch friedliche Befehlsverweigerung den Krieg dann letztendlich beendet und Frieden geschaffen.
Nicht die bornierte Obrigkeit durch unsinnige Befehle.

Nur eine friedliche Revolution in München und vielen anderen deutschen Städten konnte diesen Krieg beenden – die Kriegstreiber wollten nicht.

Dennoch mussten sich diese Friedensbringer dann den Unsinn des „Dolchstoßes in den Rücken“ und Quatsch wie „Novemberverbrecher“ oder „Vaterlandsverräter“ anhören.
Unsinn wie „Im Felde unbesiegt“ machte die Runde.

Hätten sich nicht in diesen Novembertagen vor 100 Jahren die Matrosen in Kiel und die Soldaten in vielen Kasernen in ganz Deutschland allen weiteren kriegerischen Befehlen verweigert,
das völlig sinnlose und von Regierenden angeordnete Blutvergießen wäre weiter und weiter gegangen, noch viel mehr Männer, Frauen und Kinder wären gestorben und von unserem Deutschland wäre noch viel weniger übrig geblieben.

Deutschland brauchte eine friedliche Revolution, damit das Morden aufhörte.

Fast auf den Tag genau vor 100 Jahren wurde vom Ersten Bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner der letzte bayerische König gestürzt und Bayern als Freistaat ausgerufen.

Unser heutiger Freistaat Bayern geht auf den Sozialisten Kurt Eisner und das Ende des Ersten Weltkrieges zurück – wobei Freistaat nichts anderes als „Republik“ im Gegensatz zu „Monarchie“ bedeutet, also „frei“ und nicht einem König untertan.

Eisner hat mitten im Krieg den Frieden durchdacht, hat im autoritären und selbstbezogenen Kaiserreich den Traum von der Demokratie Wirklichkeit werden lassen.

Das Motto dieser Tage war „Jedes Menschenleben soll heilig sein“.

Bayern hat hier eine friedliche Revolution hingebracht und sinnloses Sterben beendet.
Darauf könnten wir ziemlich stolz sein.

Die friedliche Revolution und mit ihr die zwar besorgte, aber positive Aufbruchsstimmung in Bayern, die auch in Grafing spürbar wurde, hielt leider nur einige Monate.
Kurt Eisner, der erste bayerische Ministerpräsident, wurde von einem Rechtsradikalen, heute würde man ihn einfach Nazi nennen, erschossen und mit dem Mord an Kurt Eisner als charismatischem, starkem und durchaus beliebtem Mittelpunkt bahnten sich andere, radikalere Kräfte ihren Weg.

Ein linker Flügel versuchte sich an einer kommunistischen Räterepublik mit Aufstellung einer Roten Armee in München – deren Gegner wurden die Bürgerwehr, Freikorps- und Reichswehreinheiten, die Weißen, die sich, ein halbes Jahr nach Kriegsende, einen kurzen und heftigen Bürgerkrieg in Bayern lieferten.

Unser Stadtmuseum zeigt derzeit übrigens eine sehenswerte Ausstellung über Grafing in diesen Zeiten des Umbruchs. Gehen Sie mal hin!

Nach der Niederschlagung der kurzen kommunistischen Episode in München bewegte sich das Pendel leider etwas zu weit und zu nachhaltig in die andere Richtung: Nationalkonservative und völkische Gruppierungen erstarkten und mittelfristig wurde München zur unrühmlichen „Hauptstadt der Bewegung“.

Gebracht hat uns diese Revolution – neben dem Hauptziel der Beendigung des Sterbens im Ersten Weltkriegs – u. A. den Acht-Stunden-Tag, das Wahlrecht für Frauen und die Trennung von Staat und Kirche.

Kurt Eisner schaute den Mächtigen auf die Finger und gab denen, die darunter litten, eine Stimme und damit ebenfalls Macht und Kraft. Er leistete damit seinen Beitrag zum Ende des schrecklichen und sinnlosen Blutvergießens des Ersten Weltkrieges.

Im europäischen Ausland, Ungarn, Polen, Österreich, sind heute Bewegungen und Denkmuster alltäglich geworden, die jeder hier noch vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten hätte.

Schauen wir auf die heute Zeit: Es läuft ein schleichender Prozess: Die Sprache fängt schon an, sich zu verändern – und mit ihr das Denken.

Das Aufpeitschende, Spaltende, Diffamierende wird alltäglicher.

Das völkische Denken, bei dem Menschen nach irgendeiner biologischen Herkunft bemessen und in Klassen mit mehr oder weniger Bürger-Rechten eingeteilt werden, gewinnt an Raum.

Deshalb ist es gerade unsere Aufgabe: Frieden erhalten!

Denkmuster voll Hass und Ablehnung erkennen und laut eintreten dafür, dass eine Gesellschaft, in der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gelten, die bessere Alternative ist.

Lassen wir uns von der friedlichen Revolution mahnen,
damit nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts!

Rede zum Volkstrauertag 2019

Liebe Grafingerinnen und Grafinger,
liebe Interessierte an dieser Veranstaltung zum Volkstrauertag, an diesem Gedenken an alle Toten und Leidenden unter Krieg und Gewaltherrschaft.

Das Lichtermeer, das ihr hier vor euch seht, hat unsere Caritas aufgebaut.
Mit der bundesweiten Lichteraktion „Eine Million Sterne“ „für eine gerechtere Welt“ möchte Caritas international die Aufmerksamkeit in diesem Jahr nach Jordanien lenken.

Die Aktion der Caritas und unser Volkstrauertag fallen zufällig auf den gleichen Tag. Vielen Dank an den Vorstand des Soldaten- und Kriegerkameradschaft Grafing. Er hat es mit viel gutem Willen möglich gemacht, diese beiden Veranstaltungen – den Volkstrauertag in Grafing und „Eine Million Sterne“ der Caritas – zu verzahnen.

Jordanien gehört zu den Ländern, die die meisten Flüchtlinge aus den Krisen- und Kriegsgebieten Syriens und des Iraks aufgenommen haben. Mehr als 90 Prozent der geflüchteten Menschen leben in extremer Armut, darunter zehntausende Kinder. Viele von ihnen sind traumatisiert und benötigen Hilfe.
Die Caritas Jordanien steht syrischen und irakischen Flüchtlingsfamilien bei. Gleichzeitig unterstützt sie hilfsbedürftige jordanische Familien. Die Caritas Jordanien setzt sich für Menschen in extremer Armut ein, unabhängig von Religion und ethnischer Zugehörigkeit.
Acht Jahre nach Kriegsausbruch in Syrien haben Helfende und Betroffene die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht.
Bitte unterstützen Sie die Caritas, die die Gelder einsetzt, um die ärgste Not in Jordanien zu lindern.

Liebe Grafingerinnen und Grafinger,
gut 80 Jahre ist es jetzt her, ein langes Menschenleben. Eine Schar schäbiger Despoten hat mit leider viel zu vielen gedankenlosen oder indoktrinierten Mitläufern den Nachbarstaat Polen überfallen.
Jeder Sechste in der polnischen Bevölkerung wurde in diesem Krieg getötet. Und nur jeder Zehnte der großen jüdischen Gemeinschaft Polens überlebte die Schoah.
Ein Krieg wurde vom Zaun gebrochen, der Leid und Unheil über ganz Europa brachte, mit dem Deutschland sich die Welt lange Zeit zum Feind machte.
Jahre und Jahrzehnte hat es gebraucht, das Vertrauen der Weltgemeinschaft wieder zu erarbeiten.
In Grafing starben 200 junge Männer im 2. Weltkrieg. Da waren 10% aller männlichen Grafinger. Einfach weg. Freunde, Männer, Söhne, Brüder.

Gerade vor diesem Hintergrund und gerade an einem Gedenktag wie diesem heute frage ich mich: Was ist da schief gelaufen mit einigen jungen Menschen hier in Grafing an unserem Gymnasium. In einem Chat wurden verfassungsfeindliche Bilder und blutrünstige Texte unter gleichaltrigen Neuntklässlern verbreitet.
Da hilft es nichts mehr, sich an eine Ausrede zu klammern. Dass Jungen in diesem Alter manchmal einfach böse sein wollen und dabei sowieso nicht so genau wissen, was sie tun.

Nein! Wer in diesem Kontext nicht kapiert hat, was wirklich nicht mehr geht, der hat viel zu wenig kapiert, der hat nichts kapiert.

Gottseidank gab es aber auch hier unter den Schülern welche,
die diesem Zeug entgegengetreten sind, die sich an Eltern und Lehrer gewandt haben und die schließlich die Tat zur Anzeige gebracht haben.
Das ist Stärke! Das sind unsere Helden!

Und hier finden wir die Parallele zur geschichtlichen Dimension:
Fast auf den Tag genau 80 Jahre ist es nämlich auch her, dass Georg Elser im Alleingang zur Tat schritt. Er hatte sich schon ganz kurz nach dem deutschen Überfall auf Polen mit größter Zähigkeit daran gemacht, Hitler durch eine Bombe im Bürgerbräukeller auszulöschen.

Elser war ein Mann aus dem Volk, ein Handwerker, allein und ein Einzelkämpfer, der aber damals schon große Weitsicht besaß.
Gerade Georg Elser ist ein Beispiel dafür, dass die Unterwerfung unter die Nazi-Diktatur nicht alternativlos war.

Er scheiterte nur durch einen dummen Zufall.
Welche Ruhmestat ihm da beinahe gelungen wäre!

Gut 75 Jahre ist es her, dass in gleicher Zielrichtung, Graf Stauffenberg nach 5 Jahren Krieg dem Schrecken ein Ende setzen wollte.
Ein Krieg, in dem deutsche Soldaten unsägliches Leid über ihre Nachbarvölker gebracht hatten. Ein Krieg in dem deutsche Soldaten und Zivilisten unsägliches Leid erlebt haben.
Stauffenberg war nicht mehr so alleine wie Elser. Stauffenberg war gut vernetzt. Stauffenberg hatte ehemaligen Adel und Teile der Wehrmacht hinter sich. Auch er scheiterte durch einen dummen Zufall und konnte Hitler nicht töten.

Da stellt sich die Frage, ob diese Attentäter das überhaupt moralisch und rechtlich rechtfertigen konnten; ob sie das „durften“.
Aber natürlich!

Unsere starke Bundesrepublik hat dieses Recht zum ultimativen Widerstand gegen die Zerstörung ihres Staates von Innen sogar im Grundgesetz verankert:
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ (Artikel 20, Absatz 4)

Das ist ein Aufruf an jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns:
Wir dürfen nicht zusehen und die Schultern zucken und stillschweigend tolerieren,
wie Nazi-Parolen durch Chats laufen,
wie Juden es nicht mehr wagen, ihre Kippa zu tragen,
wie muslimischen Frauen wegen Ihres Kopftuches diskriminiert werden,
wie anders aussehende Mitbürger ausgegrenzt werden.
wie Jugendliche von Nazis bedroht werden.

Liebe Grafingerinnen und Grafinger – stellt euch nicht daneben, sondern dagegen.
In einem mutigen und starken Grafing, in einem Grafing des Widerstands.