Rede zum Volkstrauertag 2019

Liebe Grafingerinnen und Grafinger,
liebe Interessierte an dieser Veranstaltung zum Volkstrauertag, an diesem Gedenken an alle Toten und Leidenden unter Krieg und Gewaltherrschaft.

Das Lichtermeer, das ihr hier vor euch seht, hat unsere Caritas aufgebaut.
Mit der bundesweiten Lichteraktion „Eine Million Sterne“ „für eine gerechtere Welt“ möchte Caritas international die Aufmerksamkeit in diesem Jahr nach Jordanien lenken.

Die Aktion der Caritas und unser Volkstrauertag fallen zufällig auf den gleichen Tag. Vielen Dank an den Vorstand des Soldaten- und Kriegerkameradschaft Grafing. Er hat es mit viel gutem Willen möglich gemacht, diese beiden Veranstaltungen – den Volkstrauertag in Grafing und „Eine Million Sterne“ der Caritas – zu verzahnen.

Jordanien gehört zu den Ländern, die die meisten Flüchtlinge aus den Krisen- und Kriegsgebieten Syriens und des Iraks aufgenommen haben. Mehr als 90 Prozent der geflüchteten Menschen leben in extremer Armut, darunter zehntausende Kinder. Viele von ihnen sind traumatisiert und benötigen Hilfe.
Die Caritas Jordanien steht syrischen und irakischen Flüchtlingsfamilien bei. Gleichzeitig unterstützt sie hilfsbedürftige jordanische Familien. Die Caritas Jordanien setzt sich für Menschen in extremer Armut ein, unabhängig von Religion und ethnischer Zugehörigkeit.
Acht Jahre nach Kriegsausbruch in Syrien haben Helfende und Betroffene die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht.
Bitte unterstützen Sie die Caritas, die die Gelder einsetzt, um die ärgste Not in Jordanien zu lindern.

Liebe Grafingerinnen und Grafinger,
gut 80 Jahre ist es jetzt her, ein langes Menschenleben. Eine Schar schäbiger Despoten hat mit leider viel zu vielen gedankenlosen oder indoktrinierten Mitläufern den Nachbarstaat Polen überfallen.
Jeder Sechste in der polnischen Bevölkerung wurde in diesem Krieg getötet. Und nur jeder Zehnte der großen jüdischen Gemeinschaft Polens überlebte die Schoah.
Ein Krieg wurde vom Zaun gebrochen, der Leid und Unheil über ganz Europa brachte, mit dem Deutschland sich die Welt lange Zeit zum Feind machte.
Jahre und Jahrzehnte hat es gebraucht, das Vertrauen der Weltgemeinschaft wieder zu erarbeiten.
In Grafing starben 200 junge Männer im 2. Weltkrieg. Da waren 10% aller männlichen Grafinger. Einfach weg. Freunde, Männer, Söhne, Brüder.

Gerade vor diesem Hintergrund und gerade an einem Gedenktag wie diesem heute frage ich mich: Was ist da schief gelaufen mit einigen jungen Menschen hier in Grafing an unserem Gymnasium. In einem Chat wurden verfassungsfeindliche Bilder und blutrünstige Texte unter gleichaltrigen Neuntklässlern verbreitet.
Da hilft es nichts mehr, sich an eine Ausrede zu klammern. Dass Jungen in diesem Alter manchmal einfach böse sein wollen und dabei sowieso nicht so genau wissen, was sie tun.

Nein! Wer in diesem Kontext nicht kapiert hat, was wirklich nicht mehr geht, der hat viel zu wenig kapiert, der hat nichts kapiert.

Gottseidank gab es aber auch hier unter den Schülern welche,
die diesem Zeug entgegengetreten sind, die sich an Eltern und Lehrer gewandt haben und die schließlich die Tat zur Anzeige gebracht haben.
Das ist Stärke! Das sind unsere Helden!

Und hier finden wir die Parallele zur geschichtlichen Dimension:
Fast auf den Tag genau 80 Jahre ist es nämlich auch her, dass Georg Elser im Alleingang zur Tat schritt. Er hatte sich schon ganz kurz nach dem deutschen Überfall auf Polen mit größter Zähigkeit daran gemacht, Hitler durch eine Bombe im Bürgerbräukeller auszulöschen.

Elser war ein Mann aus dem Volk, ein Handwerker, allein und ein Einzelkämpfer, der aber damals schon große Weitsicht besaß.
Gerade Georg Elser ist ein Beispiel dafür, dass die Unterwerfung unter die Nazi-Diktatur nicht alternativlos war.

Er scheiterte nur durch einen dummen Zufall.
Welche Ruhmestat ihm da beinahe gelungen wäre!

Gut 75 Jahre ist es her, dass in gleicher Zielrichtung, Graf Stauffenberg nach 5 Jahren Krieg dem Schrecken ein Ende setzen wollte.
Ein Krieg, in dem deutsche Soldaten unsägliches Leid über ihre Nachbarvölker gebracht hatten. Ein Krieg in dem deutsche Soldaten und Zivilisten unsägliches Leid erlebt haben.
Stauffenberg war nicht mehr so alleine wie Elser. Stauffenberg war gut vernetzt. Stauffenberg hatte ehemaligen Adel und Teile der Wehrmacht hinter sich. Auch er scheiterte durch einen dummen Zufall und konnte Hitler nicht töten.

Da stellt sich die Frage, ob diese Attentäter das überhaupt moralisch und rechtlich rechtfertigen konnten; ob sie das „durften“.
Aber natürlich!

Unsere starke Bundesrepublik hat dieses Recht zum ultimativen Widerstand gegen die Zerstörung ihres Staates von Innen sogar im Grundgesetz verankert:
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ (Artikel 20, Absatz 4)

Das ist ein Aufruf an jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns:
Wir dürfen nicht zusehen und die Schultern zucken und stillschweigend tolerieren,
wie Nazi-Parolen durch Chats laufen,
wie Juden es nicht mehr wagen, ihre Kippa zu tragen,
wie muslimischen Frauen wegen Ihres Kopftuches diskriminiert werden,
wie anders aussehende Mitbürger ausgegrenzt werden.
wie Jugendliche von Nazis bedroht werden.

Liebe Grafingerinnen und Grafinger – stellt euch nicht daneben, sondern dagegen.
In einem mutigen und starken Grafing, in einem Grafing des Widerstands.

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